Ich habe heute kein Foto für euch

Der Post schlummert schon seit einer Woche auf meiner Festplatte. Und irgendwie passt er heute noch mehr als anderen Tagen…

Neulich. Ich war mit einer Freundin nett Essen, um 21 Uhr Zuhause. Den Freund das erste Mal seit 4 Tagen gesehen, juhu. Wir waren beide ziemlich müde, er von seinen letzten 4 Tagen, ich von meinem 3. Tag ohne Zucker, inklusiver Entzugskopfschmerzen. Trotzdem: Wollen wir noch mal raus gehen? Das Wetter war überraschenderweise noch gut, nicht so warm, aber fast keine Wolke am Himmel. Zudem windstill, was in Hamburg eine kleine Seltenheit ist.

Wir also raus. Dazu sei gesagt, wir wohnen ja ganz hervorragend zentral in St. Georg, sprich eine Querstraße von der Alster entfernt. Angeberisch? Aber hallo! :)

Wir runter ans Wasser, vom Atlantikhotel bis zur Alsterperle geschlendert, 1,5 Kilometer feinster Spaziergang. Nur noch wenige Leute waren unterwegs, Pärchen saßen auf den Bänken, auf der spiegelglatten Alster nur noch zwei Segelboote und ein paar SUPler unterwegs, dafür umso mehr Enten und Gänse. Ein Hase mümmelte entspannt am Wegesrand etwas Gras, ein Otter tauchte nach Fischen, die Sonne ging gerade in den wundervollsten Rottönen unter, bis sie nur noch ein zartes Rosa war, welches sich im Wasser in allen Rosa bis blasblautönen spiegelte. Durch die Windstille herrschte diese wundervoll friedliche Atmosphäre, die man oft von der See kennt, wenn es abends windstill wird. Als ob die Welt ein bisschen weicher und friedlicher wird.

Was nach Kitsch deluxe klingt, war wirklich ein perfekter Abend, inklusive spontanen Wein in der Alsterperle, wo die Dame am Tresen uns das Wasser geschenkt hat, da wir zu wenig Geld dabei hatten. Wie wundervoll, wie oft erlebt man so etwas in einer Großstadt?!

Ich hoffe, ihr habt die Atmosphäre ein wenig vor Augen und wisst, dass ich mit Sicherheit 20 Bilder mit dem Handy hätte machen können – perfekte Instagrambilder ala #welovehh #abendstimmung #hamburgmeineperle #alster #soooschön usw. Allerdings hatten weder Jan noch ich unsere Handys dabei.

 

Und es war so schön!

So sehr ich Instagram mag, ist mir an dem Abend aufgefallen, dass Instagram mir ein bisschen die Lust am richtigen Fotografieren genommen hat. Instagram ist wie Fotofastfood, nett zwischendurch, aber auf Dauer wird man ganz schön satt und träge. Ich sah die Pärchen, Freunde, Jogger, die am Wegesrand standen, schnell ein Foto vom Sonnenuntergang machten, dann auf dem Display herumtippten, um das Foto an Freunde, Instagram oder Facebook zu schicken. Weniger Kommunikation mit der Person neben einen, weniger die Atmosphäre dieses wunderschönen Abends genießen, weniger den Sonnenuntergang wirklich sehen, dafür mehr über das Display.

Normalerweise hätte ich mich in den Personen wiedererkannt. Ich kleiner Handyjunkie. Ohne Handy war ich aber froh, mal kein Foto zu machen. Kein schnelles Foto. Und da fiel mir auf, dass ich schon wirklich lange nicht mehr „richtig“ fotografieren war. Mit der großen Kamera draußen, mir überlegen wie ein Foto aussehen soll. Wie ein Gefühl in mir vielleicht aufs Foto kommen kann. Oder mich einfach treiben lasse und schaue, was vor die Linse kommt. Schade.

Vielleicht sollten wir uns ab und zu vor Augen halten, dass das Leben, wenn es nicht durch ein Display betrachtet wird, noch ein bisschen mehr Leben ist. 

Ich werde also versuchen mal ein bisschen weniger meine Umgebung als Instagramkulisse zu sehen. Wenn man mal kein Foto vom Essen, Sonnenuntergang, den Kindern, den Hund, der Yogastunde, dem Kaffee usw postet wird die Welt schon nicht untergehen und auch die Follower auf Instagram verschwinden. Sie werden es noch nicht einmal merken, garantiert. Ich dagegen schon.

Liebste Grüße,
Ricarda

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18 Kommentare
  1. SewTinyToes

    15. Juli 2016 um 9:17

    Du hast absolut recht.

    Viel öfter sollten wir den Moment einfach so genießen, wie er ist, ohne smombiemäßig mit Bildschirm vor’m Gesicht durch die Welt hasten.
    Vielleicht würden dann alle auch allgemein mehr auf die Umgebung und unsere Mitmenschen achten. Und aus Beachtung folgt hoffentlich mehr Achtung.

    Grüße, Sabrina

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  2. Bettina

    15. Juli 2016 um 9:26

    Liebe Ricarda, was du schreibst, spiegelt sehr mein Gefühl und meine Beobachtung wider. Ich mach auch viele Fotos und habe auch immer das Gefühl, ich muss sie mit lieben Menschen teilen. Oft dann eben über Facebook und Instagram (wenn auch nur im kleinen Kreise)… Das hat alles seine Berechtigung und ist auch schön und gut. Aber andererseits verpasst man auf gewisse Weise das „richtige“ Leben.
    Ich bin Grundschullehrerin, habe im Moment eine erste Klasse und wenn wir etwas eingeübt und die Eltern eingeladen haben (wie jetzt zum Schuljahresabschluss), dann erleben die Kinder ihre Eltern nur noch indirekt hinter den Handys! Insbesondere wenn die Kinder nervös und aufgeregt sind, weil sie jetzt gleich etwas vortanzen oder aufsagen müssen,suchen sie die Augen der Eltern. Aber sie finden sie nicht, weil die Eltern nur auf das Display starren, um ja alles gut aufzunehmen! Das eigentliche Erlebnis an sich und das der engen Verbundenheit geht verloren, auch wenn man es später tausendfach reproduzieren kann. Die Kinder dagegen lernen zu posen. Schon kleine Kinder wissen, dass sie eine Millionen Mal fotografiert und gefilmt werden…
    Wie gesagt, ich will es nicht verteufeln, aber ich bemühe mich um bewussteren Umgang und freue mich sehr über deinen Beitrag! Herzliche Grüße, Bettina

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  3. Starky

    15. Juli 2016 um 9:42

    Darf ich den Post ausdrucken und meiner Pupertier-Tochter übers Bett hängen :) So wahre Worte und recht so. Genieß öfter die Zeit :)
    LG Starky

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    • Ricarda

      15. Juli 2016 um 13:33

      Hihi, ich fürchte zwar, dass sie mich schon alt und spießig finden wird ;) aber na klar :)

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  4. Nadine

    15. Juli 2016 um 9:59

    Dein Post erinnerte mich sehr an die Abschiedsfeier der 4. Klassen an meiner FSJ-Schule. Stand das eigene Kind auf der Bühne wurde sofort das Handy gezückt und gefilmt, jede Sekunde konserviert für die Ewigkeit, aber jede Sekunde Aufmerksamkeit der eigenen Augen auf das kleine Handydisplay gerichtet in dem die glitzernden Augen der Kinder garantiert nicht so rüber kamen, wie sie das über den Smartphone-Rand hinaus sind. Da stehen diese kleinen Wesen, das letzte mal in ihrer Grundschulzeit da, singen sich die Kehle aus dem Hals und Mama und Papa sehen das alles nur auf 15cm Bildschirmdiagonale… Respektlos. Was sind wir nur für Menschen geworden… Liebe Grüße, Nadine

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  5. Anneke

    15. Juli 2016 um 10:00

    Hallo Ricarda,

    den Post könnte ich eins-zu-eins so übernehmen, nur müsste ich Hamburg durch das Oldenburger Münsterland ersetzen.
    Du hast soooo recht!

    Ganz Liebe Grüße,

    Anneke

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  6. Petra

    15. Juli 2016 um 10:14

    Wie wahr, ich bin gar nicht bei Instagram, habe erst neulich Pinterest für mich entdeckt. Ich nehme mein Handy zwar mit, aber für Notfälle bin da eh nicht online. Habe extra daheim ein Whattsuphandy und das ist tonlos. Ich lasse mich selbst vom FN nicht terrorisieren, habe ich grad jemand da, keine Lust oder Zeit, lass ich den AB dran. Zurückrufen und drangehen geht dann immernoch. Schule ist abgespeichert, da gehe ich ran. Meine Umwelt weiss eigentlich Bescheid, wurde trotzdem schon angeraunzt, ob ich nicht auf mein Handy schaue, doch schon, aber nicht alle 5 Min..
    Lieben Gruß,
    Petra

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  7. Susi

    15. Juli 2016 um 10:32

    Ein ganz wundervoller Post! Du hast so recht. Heutzutage wird man regelrecht in der virtuellen Welt gefangen, dass man die reale Welt oft vergisst. Ich find diese Entwicklung echt schade und auch irgendwie besorgniserregend.
    Umso schöner, wenn man dann mal kein Handy dabei hat und sich der Schönheit der realen Welt wieder bewusst wird. Und man dann die schönen Dinge mit der Seele aufnimmt und nicht mit dem Handy.
    Ich wünsche dir ein schönes Wochenende!
    Liebe Grüße
    Susi

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  8. Sandy

    15. Juli 2016 um 13:23

    Das hast du sehr schön geschrieben, da kann ich dir nur zustimmen.

    Liebe Grüße Sandy

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  9. Sarah

    15. Juli 2016 um 14:42

    Ich war bis jetzt immer nur stiller Mitleser, aber zum heutigen Post muss ich einfach mitteilen, dass ich ganz ganz ganz genau so empfinde! Wirklich ein schöner und zum Nachdenken anregender Beitrag! Danke!!

    Lieben Gruß,
    Sarah

    Antworten

  10. Steffi

    15. Juli 2016 um 15:02

    Das hast du schön geschrieben! Ich ärgere mich oft nach Wochenenden oder schönen Unternehmen für einen kurzen Moment, wenn ich kein Bild gemacht habe, das ich bei Instagram verwurschteln kann. Meist hält der Ärgermoment aber nur kurz an, weil ich eben meist in den schönsten Momenten nicht daran denke, Bilder mit dem Handy zu machen, sondern nur ganz viele mit dem Herzen. Natürlich sind einzelne Bilder schön, um sich an viele Herzensbilder zu erinnern, aber den Moment genießen – das sollten wir noch viel öfter tun. :-)

    Lieber Gruß
    Steffi

    Antworten

  11. Julia

    15. Juli 2016 um 15:58

    Liebe Ricarda,
    mal wieder wo wahre Worte…. Auch ich ertappe mich öfter dabei, dass ich schöne Momente nur durch das Display anschaue. Eigentlich paradox, dass ich sie lieber so anschaue damit ich sie „für immer behalten“ kann. Dabei sind die real erlebten Momente viel schöner… Danke, dass du uns das bewusst machst!
    Sonnige Grüße Julia

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  12. Nicole

    16. Juli 2016 um 6:13

    Liebe Ricarda,
    ich kann mich meinen Vorrednerinnen nur anschließen. Schau Dich nur mal um, egal wo man hinschaut, selbst wenn Menschen in einer Gruppe zusammen sind, schauen sie auf ihr Display und tippen wie wild herum. Richtige Kommunikation sieht man sehr selten und richtig traurig werde ich, wenn ich so ein Päarchen sehen oder gar Eltern mit Kindern! Aber das Leben ist kein Display! Nur haben das ganz viele leider noch nicht verstanden! Und ich persönlich fand deine Beschreibung von der Kulisse viel schöner und hatte die Szene viel intensiver vor Augen, wie wenn du mir wieder ein Foto vor die Augen gehalten hättest! Also, gerne öfters so!!
    Liebe Grüße Nicole

    Antworten

  13. Melissa

    17. Juli 2016 um 20:12

    Liebe Ricarda,

    ein wunderbarer Post.
    Letztens habe ich irgendwo sinngemäß gelesen, dass die schönsten Momente durch die Veröffentlichungsbrille kaputt gehen. Nicht allein durchs Posten irgendwo, sondern schon dadurch, dass man sein Leben auf zu Postendes, quasi auf die Frage „Wie viele Likes gäbe das wohl?“ durchforstet und immer vor Augen hat, dass man Dinge für andere erlebt. Seitdem entscheide ich mich viel öfter, ganz bewusst aufs Posten zu verzichten, Momente zu genießen. Klingt ja doof, aber irgendwie muss man das erst wieder lernen. An seinem Baby zu riechen, die lustigen hochstehenden Haare zu sehen und keine Kamera zu zücken, um das mit anderen zu teilen. Sondern einfach glücklich darüber zu sein, diese Momente genießen zu dürfen …
    Ich finde sehr schön zu sehen, auf welchem Weg du dich da grad befindest. Was das Bewusstsein für solche Dinge angeht. Und ich drücke dir die Daumen, dass du dich da weiterhin gut fühlst mit.

    Liebste Grüßkens
    Melissa

    Antworten

  14. Nadja

    18. Juli 2016 um 19:35

    Ein wunderbarer Post und selbst mir fällt es zwischendurch schwer nichts zu posten.. Instagram geht halt auch einfach unglaublich schnell und dann Likes zu sammeln ist schon toll irgendwie.. Allerdings achte ich auch eigentlich oft darauf mein Handy in der Tasche zu lassen.. Im Urlaub fotografier ich mit meiner Kamera und auf Partys haben wir ab und zu schon „Spiele“, dass jeder trinken muss, der sein Handy in die Hand nimmt.. ausgenommen sind nur die, die einen gute Grund haben.. :D Allerdings ist es natürlich auch traurig, dass wir sowas machen müssen um nicht ewig am Handy zu sitzen.. :/
    Naja.. man sollte wohl ein gewisses Maß finden.. :)
    Liebe Grüße,
    Nadja

    Antworten

  15. Debby

    19. Juli 2016 um 7:50

    Das gesunde Mass ist in unserer Gesellschaft irgendwie etwas verloren gegangen in den letzten Jahren. Alles wird nur noch durch die Linse wahrgenommen. Doch eigentlich kann ein Foto niemals die selbe Stimmung einfangen, wie unsere Augen, wenn sie einfach schauen…
    Ich wünsche dir, dass du bald wieder Zeit findest, um „richtig“ mit der grossen Kamera ein tolles Motiv einzufangen!
    Liebe Grüsse
    Debby

    Antworten

  16. Nele

    24. Juli 2016 um 10:15

    Hallo Ricarda,

    ich habe nach einiger Zeit mal wieder bei Dir vorbeigeschaut, wie ich es schon länger tue.
    Gerade diese Beiträge, in denen Du Deinen Blick auf die Welt und ihre Veränderungen richtest, lese ich unheimlich gern. Du hast eine sehr tiefgründige Art der Selbstreflexion, die zum Denken anregt.
    Ich selbst habe keinen Blog, keinen Instagram Account und Poster eigentlich nichts auf Facebook und dennoch hat mich vor einigen Monaten genau Das Gefühl erwischt, das Du beschreibst. Ich war irgendwann davon genervt,für Fotos mal eben schnell das Handy zu zücken und die Bilder per Messenger zu verschicken.
    Wir vergeben so viele Momente des Wahrnehmens, weil wir mit dem Konservieren beschäftigt sind. Wir sollten Momente in unseren Herzen speichern und nicht in einer Datei. Und manchmal sollten wir auch gar nicht festhalten, sondern einfach den Moment genießen und ihn hinterher ganz vielleicht begeistert in Worte fassen und auf diese Art mit einem oder vielen Menschen teilen, wie Du es getan hast.
    Ich benutze seit geraumer Zeit wieder meine Kamera und mache wieder Fotospaziergänge, nur für mich. Das habe ich lange nicht getan. Und es tut gut!
    Ich wünsche Dir viele schöne Momente der Achtsamkeit und einen schönen Sonntag!

    Nele

    P.S. Ich habe es vor ein Paar Tagen endlich in den Laden Deiner Schwester geschafft.
    Er ist ein Paradiesehr.

    Antworten

  17. Nena

    11. August 2016 um 10:21

    Wahre Worte! Ich versuche derzeit auch, ein bisschen seltener das Handy zu zücken. Gerade, wenn ich mit meinen Kindern unterwegs bin. Klar, Fotos sind schön für später. Aber die Erinnerung an einen perfekten Moment ist doch auch sehr wertvoll! Ohne „Hallo! Schau mal zu Mama! Nicht so. Lach doch! Halt, verwackelt. Mach nochmal!“

    Antworten

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